WAZ-Gelsenkirchen, 04.05.2009

Tauschrausch gegen die Krise

Gelsenkirchen 04.05.2009, Tina Bucek

Das Geld wird immer weniger. Bei Ihnen auch?


Jetzt könnte man Wirtschaftswissenschaftler befragen, Chefökonomen und Hochschulprofessoren, was in dieser Situation zu tun ist. Oder man fragt Margarete Weißfuß. Die hat eine bestechend einfache Antwort, und wer seinen Marx ordentlich gelesen hat, der weiß, dass die alles andere als dumm ist.

„Jeder gibt einfach das, was er kann!” Die 74-Jährige kann zum Beispiel: Socken stricken. Und dann ist da „Franz”, sagt Weißfuß. Der Franz, der kann anstreichen. Und die Hedi kann bügeln, und der Michael, der kann Fahrräder reparieren. Für sich genommen wird kein Schuh draus, denn vom Fahrradreparieren kann man sich kein Butterbrot kaufen. Aber gebügelte Hemden! Und jetzt sind wir da, wo diese Geschichte Charme entwickelt.

Margarete Weißfuß und 20 weitere Menschen haben sich nämlich in einem Verein zusammengetan, um Fähigkeit gegen Fähigkeit zu tauschen. Bügeln gegen streichen, Fahrradflicken gegen Sockenstricken. „Emscher-Lippe-Tauschring”, nennt sich das.

Und obwohl bei diesen Transfers Geld keine Rolle spielt, haben die Vereinsmitglieder eine eigene Währung entwickelt. „Denn nicht immer ist es so, dass man, wenn man etwas braucht, der andere auch sofort etwas braucht”, erklärt Weißfuß. Sprich: Wenn das Fahrrad von Franz kaputt ist, heißt das nicht, dass auch am selben Tag die Wohnung von Michael gestrichen werden muss. „Jeder von uns hat ein Konto, darauf werden Blüten aufgeschrieben, wenn er etwas für jemand anderen tut, oder eben davon abgezogen, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt.” Wichtig dabei: „Jeder, der neu bei uns mitmacht, bekommt 500 Blüten Vorschuss.” Denn „zum Einkaufen geht man ja auch nicht ganz ohne Geld!”

Ein wichtiger Faktor dieser geldlosen Tauschwirtschaft ist Vertrauen. „Man muss sich aufeinander verlassen können und darauf, dass niemand die Situation ausnutzt.” Damit das nicht passiert, müssen Neumitglieder zunächst dreimal an den monatlichen Sitzungen teilnehmen. „Man muss sich kennenlernen.” Dann funktioniert es so, dass jedes Vereinsmitglied eine Adressenliste bekommt. „Ich mache das jetzt seit 15 Jahren - und habe sehr gute Erfahrungen gemacht!”